1. Zwei Strömungen – Aufwertung der Rolle des Künstlers
Der Begriff der Renaissance bezeichnet als historische Epoche den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, der zwischen 1400 und 1600 stattfand. In kultureller Hinsicht meint er eine Wiederbelebung antiker Ideale in Literatur, Philosophie, Wissenschaft und besonders in der Malerei und der Architektur.
In Florenz stehen sich in den Jahren nach 1400 zwei grundverschiedene Richtungen gegenüber: Zum einen die Formen des „Schönen Stils“ der von Frankreich ausgegangenen internationalen Gotik und zum anderen diejenigen der italienischen Frührenaissance, der es nicht um verfeinernde Stilisierung geht, sondern um die Entdeckung und Erforschung des Lebens und der Welt.
Aus der einhergehenden Beschäftigung mit der antiken Kunst und Literatur erwächst das Bedürfnis, den Einzelmenschen aus den festen Gemeinschaftsformen des christlichen Mittelalters herauszulösen und die Persönlichkeit im Sinne der antiken humanitas zu bilden.
Diese veränderte Geisteshaltung des Humanismus zeichnet sich immer deutlicher in der Kunst ab: In der Malerei wird illusionistische Tiefenwirkung entwickelt, um die im realitätsnahen Raum agierenden Personen wirklichkeitsgetreu darzustellen; die Skulptur löst sich immer mehr vom Verbund mit der Architektur und wird zur allansichtigen Freifigur.
Die Stellung eines Bildhauers avanciert vom Auftragsarbeiten ausführenden Handwerker zum selbständigen Künstler. Cennino Cenninis Libro dell`Arte vertritt bereits die Auffassung von der Gleichrangigkeit des Malers mit dem Dichter als geistig tätigem Schöpfer. Alberti und Leonardo sehen den Künstler als Gelehrten und die Kunst als einen Weg zur Entschlüsselung der Geheimnisse der Natur.
2. Beginn der Epoche
Der Beginn der Epoche lässt sich mit den Namen zweier Künstlerpersönlichkeiten verbinden: nämlich mit Lorenzo Ghibertis und Filippo Brunelleschis Wettbewerbsreliefs von 1401/02 für die zweite Tür des Florentiner Baptisteriums. Die Ausschreibung dieses Wettbewerbs ist ein Novum in der Kunstgeschichte, denn es handelt sich um den ersten Künstlerwettbewerb seit der Antike. Dieser Wettbewerb war der Anfang einer Blüte der Bildhauerkunst in Florenz. Die Stadt wurde dadurch sozusagen zu einer Akademie für Bildhauer.
Mit diesem Wettbewerb wollte man das mit Pisanos Tür begonnene Projekt fortsetzen, das 1338 aufgrund politischer Machtkämpfe, wirtschaftlicher Schwierigkeiten, sowie der Schwarzen Pest abgebrochen werden musste. Obwohl Visconti gegen Florenz vorrückt, wurde 1400/01 die zweite Tür ausgeschrieben. Dadurch demonstrierte man dem Feind Sicherheitsgefühl und beruhigte die eigene Bevölkerung: Florenz kämpft mit den Waffen der Kunst.
3. Bauten
Im Florenz um 1400 konzentriert sich die skulpturale Ausstattung auf drei Bauten: Der Dom mitsamt dem Campanile, das Baptisterium und Or San Michele.
Drei Florentiner, die ursprünglich als Goldschmiede ausgebildet wurden, machten entscheidende Innovationen. Der Älteste war Filippo Brunelleschi, der die lineare Perspektive entwickelte. Er wurde schließlich ein Architekt, der erste wirkliche Renaissance Baumeister. Und in jener Geschäftsfähigkeit entwarf er die enorme achteckige Kuppel der Florenz Kathedrale, auch genannt der Duomo, welche im Jahre 1436 beendet wurde. Die Kuppel wurde als eines der beeindruckendsten Ingenieurwesen und künstlerischen Leistungen seit den Zeiten der Römer betrachtet. Brunelleschi war verantwortlich für die Wiederbelebung des klassischen säulenartigen Systems, welches er in Rom studierte. Er führte in all seinen öffentlichen und privaten Strukturen eine neue formelle räumliche Integrität ein, die einmalig zur Renaissance war.
Lorenzo Ghiberti war am besten bekannt für seine Reliefs, die er für zwei Sammlungen von vergoldeten Bronzetüren machte, die für die Baptistengemeinde in Florenz hergestellte wurden. Sein zweites Paar Türen, illustrieren Themen des Alten Testaments, die von Michelangelo hoch gelobt wurden und die seit dem als würdige Tore des Paradieses genannt werden.
Donato di Niccolò di Betto Bardi, der als Donatello bekannt wurde, war einer von den einflußreichsten Künstlern der Renaissance, nicht nur wegen der Stärke seiner Figuren sondern auch, weil er überall hin reiste. Ein Florentiner, Donatello arbeitete auch in Venedig, Padua, Neapel, und Rom und war dadurch hilfreich in der Verbreitung der neuen florentinischen Innovationen zu vielen Teilen von Italien. Seine ersten Arbeiten schließen den Bronze-David ein (1430-1435, Bargello, Florenz), eine Figur des biblischen Helden mit dem Kopf von Goliath bei seinen Füßen. Die beinahe lebensgroße nackte Statue, die in der Runde ausgedacht wurde, war die erste solcher Statuen, die seit den antiken Zeiten gemacht wurde. Eine andere bedeutende Arbeit ist der marmorne Cantoria, oder die Singende Galerie (1443-1448, Museo dell' Opera del Duomo, Florenz), welche für die Florenz Kathedrale gemacht wurde, mit Punkten von herumspringenden nackten Kindern (putti), welches zum Lieblingsthema in der Renaissance Kunst wurde. Donatello, der auch in terra-cotta und Holz arbeitete, machte Gebrauch von Brunelleschi’s Perspektive Devisen in seinen Reliefs. Seine ehrwürdigen und ausdrucksvollen freistehenden Statuen, die oft Heilige repräsentieren, wurden ein Maßstab von Vorzüglichkeit für die nächsten Hundert Jahre.
4. Vorgeschichte: Niccolò Pisanos frühe Reflektion der Antike
Eine frühe Reflektion der Antike findet sich bereits im Duecento (knappe 150 Jahre früher) bei Niccolò Pisanos Kanzel im Baptisterium von Pisa. Der Kunst seiner Zeit vollkommen unvermittelt, hat er bildhauerische Formen geschaffen, die sich erst Dekaden später zu Prinzipien der Renaissance-Skulptur entwickeln sollten: Er hat das zusammenwirken von Architektur und Skulptur zugunsten der Selbständigkeit der Skulptur verändert.
Plastische Fülle, körperliche Schwere sowie die Gewänder mitsamt ihren Faltenlagen sind sichtlich der Antike nachgeahmt. Jedoch handelt es sich eher um starre Nachahmung als um geist- und lebenserfüllte Figuren. Weniger die unmittelbare Naturerfahrung als vielmehr das Studium der antiken Vorbilder spricht aus seinen Gestalten.
5. Zur Klärung der Fachbegriffe Skulptur und Plastik
Seit Michelangelo gibt es eine genaue Definition der Bildnerei für die Kunstgeschichte: Skulptur bezeichnet die durch Wegnehmen von Material aus einem Blick (Holz, Marmor) herausgeholte Form. Plastik dagegen meint die durch Modellieren/Gießen eines weichen Werkstoffes (Ton, Gips, Wachs, Bronze) gewonnene Form, die in einem additiven Verfahren nach und nach aufgebaut wird.
Dr. Danica Krunic